10.4.2018, 18 Uhr

Installation von Micha Ullman im Akademie-Gebäude am Pariser Platz

Micha Ullman, Bis zum letzten Sandkorn, 2011

Anlässlich der Wiedereröffnung der Ausstellungssäle am Pariser Platz ist Micha Ullmans Installation „Sandkorn" bis zum 22. April 2018 zu sehen.

Micha Ullman zeigt ein Korn des Hamra-Sandes (arabisch: hamra – rot) als skulpturale Installation. Das Korn entstammt dem Boden, auf dem er unweit von Tel Aviv lebt. Ullman arbeitet mit diesem Material seit über 45 Jahren in Skulptur, Zeichnung und Video. Das Werk wurde erstmals 2011 in der retrospektiven Ausstellung Sands of Time im Israel Museum in Jerusalem vorgestellt.

Der Titel bezieht sich auf den ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat, der 1973 vor dem Jom-Kippur-Krieg gesagt haben soll, er werde die von Israel 1967 besetzte Sinai-Halbinsel „bis zum letzten Sandkorn" zurückerobern. Nach seiner militärischen Niederlage kam es zu einer komplizierten Annäherung und schließlich zu Verhandlungen mit Israel. In der Folge sprach Sadat 1977 vor der Knesseth und erkannte als erster arabischer Staatsmann das Existenzrecht Israels an. Ein Jahr danach schlossen Sadat und Menachem Begin das Camp-David-Friedensabkommen und Israel gab den Sinai friedlich an Ägypten zurück.

Doch war Sadat fortan in der arabischen Welt isoliert. 1981 wurde er von Islamisten ermordet. Für Micha Ullman ist der Auftritt von Anwar as-Sadat vor dem Parlament des Feindes ein Sinnbild dafür, dass ein mutiges Streben nach Frieden immer mit Gesprächen beginnen muss. Neben der historisch-politischen hat der Titel für den Künstler aber auch eine poetische Qualität. Er ist offen für viele Bedeutungen. Das Sandkorn repräsentiert für ihn das kleinste Stück Land, „eine Art Grenze zwischen Materie und dem Nichts, der Leere oder auch dem Geist". In der Dimension der Zeit denkt Micha Ullman das Sandkorn als den Punkt, in dem „Anfang und Ende sich treffen". So erhält das winzige Korn eine universalistische Bedeutung: Als dessen kleinstes sichtbares Teilchen steht es für den Erdkreis und weist zugleich weit über ihn hinaus. Die Vorstellung des Zusammenhangs von Mikro- und Makrokosmos findet sich bereits in den uralten mystischen Schriften nicht nur des Judentums.

Zu seiner Skulptur hat Micha Ullman sechs Zeichnungen zum Sandkorn geschaffen, die weitere Sinnschichten erschließen: „Der Betrachter wird aufgefordert, in den Sandkörnern wie in Sterngruppen mögliche Bilder zu entdecken, die auf mehreren Feldern Imaginationen erzeugen. Auch hier ist die Sprache eine der Andeutungen. Die Sandkörner auf dem Blatt sind wie Akupunkturpunkte, die Energieflüsse bezeichnen. Jedes Blatt mit einer anderen Richtung: Sterne, Zellen, Körperteile, Sinne, Buchstaben, Zahlen ... Der gemeinsame Nenner dieser Bilder ist das kreative Potential des Motivs, in endlosen Kombinationen zu agieren. Die Organisation des Raumes wird durch die Größe der Sandkörner, den Farbton und die Zwischenräume bestimmt. Der Betrachter wird eingeladen, auch durch seine Distanz zu den Zeichnungen, Landschaften des Erscheinens und des Verschwindens zu entdecken."

„Die Größe der natürlichen Seele des Menschen übersteigt nicht einen Punkt, und an diesem Punkt ist die Form und Qualität des ganzen Himmels eingraviert." (Johannes Kepler, 1571–1630)

Mit der Installation werden die Ausstellungssäle am Pariser Platz wieder für eine dauerhafte Nutzung zugänglich gemacht. Die Installation ist bis 22. April 2018 täglich von 11 bis 19 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.