„Eine kleine diskrete Feierlichkeit“ – die Wiedereröffnung der Villa Serpentara in Olevano

Telegramm des Generalsekretärs Herbert von Buttlar an den Präsidenten Hans Scharoun, 14. September 1961

„Wegen der angespannten finanziellen Lage der Akademie der Künste bitte ich, von dieser Einweihungsfeier Abstand zu nehmen“, heißt es in einem Schreiben von Gerhard Boeddinghaus, Senat für Volksbildung, an die Akademie der Künste am 4. September 1961. Gemeint war die geplante Wiedereröffnung der Villa Serpentara in Olevano bei Rom, die der Akademie nach einer langen Unterbrechung erneut als Künstlerresidenz zur Verfügung stehen sollte.

Anfang des 19. Jahrhunderts war der als Ideallandschaft empfundene Landstrich zwischen Subiaco und Palestrina in den Sabiner Bergen von Künstlern aus verschiedenen europäischen Ländern entdeckt worden. Romantiker von Joseph Anton Koch über Franz Theobald Horny und Julius Schnorr von Carolsfeld bis Carl Blechen hatten dort ihre Staffeleien aufgestellt. Der Initiative von deutschen Künstlern rund um den Karlsruher Landschaftsmaler Edmund Kanoldt war es im Jahr 1873 zu verdanken, dass der Steineichenwald in Olevano, „die Serpentara“, erhalten werden konnte. Sie verhinderten die drohende Abholzung in einer spontan organisierten Rettungs- und Spendenaktion, das hügelige Gelände mit einem Baumbestand von 98 Eichen ging für 2.350 Lire an die Künstler über. Um das Grundstück langfristig zu sichern, schenkten sie es dem Kaiser, der es der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin anvertraute. Für die Überwachung vor Ort war ab den 1890er-Jahren der in Rom lebende Bildhauer Heinrich Gerhardt zuständig. Er war es, der, nachdem die Kaiserliche Botschaft in Rom eine Bebauung untersagt hatte, direkt neben dem Eichenhain ein Grundstück kaufte und darauf eine „Schutzhütte“ mit Künstler-Ateliers erbaute. Gerhardt vermachte Grundstück und Villa schließlich testamentarisch der Akademie, die nach seinem Tod 1915 das Erbe antrat. Seither konnte sie Künstler zu Arbeitsaufenthalten nach Olevano entsenden, mit Unterbrechungen im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Und seither war die Akademie der Künste mit einer „Liegenschaft“ betraut, die unablässige Korrespondenz zwischen Rom und Berlin und nicht enden wollende Maßnahmen erforderte: Es musste ausgebessert und saniert werden, Geldforderungen und Auslandsüberweisungen gingen hin und her, Feuer- und Haftpflichtversicherungspolicen wurden fällig, die Zisterne musste instand gesetzt und gewartet werden, Öfen mussten angeschafft, Verträge mit dem Verwalter abgeschlossen, die Oliven- und Weinernteerträge mit der Kustodenfamilie vereinbart, Brennholz beschafft und Schädlinge bekämpft werden, das Wegerecht durch den Eichenhain musste geregelt, Steinmauern mussten erneuert werden. Hausordnungen wurden aufgesetzt und über die Jahre unzählige Inventarlisten erstellt, in denen bis zur letzten Gabel alles aufgeführt wurde.

1945 wurde die Villa Serpentara von den Alliierten beschlagnahmt. In den 1950er-Jahren fanden langwierige, in den Akten des Historischen Archivs gut dokumentierte Rückgabeverhandlungen statt, da die Rechtsnachfolge der Preußischen Akademie der Künste für die Villa Serpentara und die Villa Massimo in Rom strittig war. 1956 wurde schließlich, in der Folge des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien unterzeichneten bilateralen Kulturabkommens, die Rückgabe der Villa beschlossen. In den darauffolgenden Jahren wurde das heruntergekommene Haus inspiziert und notdürftig instandgesetzt. Ab Herbst 1961 sollte, so der Wunsch der Akademie und des Senats für Volksbildung in Berlin, die Villa endlich wieder von Künstlern bewohnt werden. Dem stand die fragwürdige Statik des Gebäudes entgegen wie auch ausstehende, unbedingt notwendige „Unterhaltungsarbeiten“ und die fehlende Einrichtung. Im Frühsommer 1961 nahm sich Maria von Buttlar, die Frau des Generalsekretärs der Akademie der Künste, Herbert von Buttlar, der Villa an. Sie reiste nach Rom, wo es ihr innerhalb weniger Wochen gelang, die „vorläufige Bewohnbarkeit“ sicherzustellen: Sie beschaffte nicht nur Möbel und Geschirr und verhandelte mit den Firmen und Behörden vor Ort, sie übersiedelte sogar mit ihren drei Söhnen zum Probewohnen in die Villa. Ende August 1961 wurde in Abstimmung mit der Akademie und dem deutschen Botschafter in Rom, Manfred Klaiber, ein Termin für die offizielle Eröffnung festgelegt, „wenn die Ferien in Italien vorbei sind“. Doch nun stellte der Berliner Senat, kurz vor dem geplanten Termin, alles wieder in Frage: Finanzielle Engpässe und die politische Situation kurz nach dem Mauerbau schienen nicht der geeignete Rahmen zu sein, um zu feiern. Womöglich waren jedoch die Einladungen schon verschickt, der Wunsch des Auswärtigen Amtes, „die Villa Serpentara durch eine kleine, diskrete Feierlichkeit einzuweihen“, zu gewichtig. Tatsache ist, dass die Villa, „dieses kleine Haus der Verbindung zur Welt“, wie der angereiste Generalsekretär sie in seiner Rede nannte, am 13. September 1961 um 11:30 Uhr eröffnet wurde, in Anwesenheit des deutschen Botschafters und von Vertretern der Kulturinstitutionen in Rom. Adrian, der damals 13-jährige Sohn der Buttlars, hielt das Ereignis fotografisch fest. Dank der Spesenabrechnung von Maria von Buttlar ist auch die Bewirtung überliefert: „Brot und Schinken, Wurst, u. Käse, Zigaretten, Zigarren, Streichhölzer, Zahnstocher, Spiess’chen, Mineralwasser, Orangensaft, Grapefruitsaft, Tomatensaft, 25 Fl. Wein“. Am darauffolgenden Tag erhielt der Präsident der Akademie der Künste, Hans Scharoun, ein Telegramm aus Rom.

Autorin: Anneka Metzger, Referentin der Archivdirektion der Akademie der Künste.

Seit 1961 vergibt die Akademie der Künste im Rahmen des Villa-Serpentara-Stipendiums der JUNGEN AKADEMIE Aufenthaltsstipendien für Künstlerinnen und Künstler in Olevano.
Der Geschichte des Künstlerortes Olevano und der „Serpentara" widmete sich eine Tagung in Rom und Olevano vom 25.-27. Mai 2022, „Olevano – Misurare un mito / Vermessung eines Mythos", in Kooperation der Villa Massimo, der Bibliotheca Hertziana und der Akademie der Künste, Berlin.


Erschienen in: Journal der Künste 18, Mai 2022, S. 68-69