Geschichte des Käthe-Kollwitz-Preises

Käthe-Kollwitz-Preis 1966 an Fritz Dähn

Käthe-Kollwitz-Preis 1984 an Manfred Böttcher: Manfred Böttcher und Werner Stötzer

Käthe-Kollwitz-Preis 2012 an Douglas Gordon: Publikum während der Preisverleihung

Käthe-Kollwitz-Preis 2019 an Hito Steyerl: Saalaufnahme während der Begrüßung durch Vizepräsidentin Kathrin Röggla

Käthe-Kollwitz-Preis 2020: Preisträger Timm Ulrichs mit Publikum

Der Käthe-Kollwitz-Preis, eine Ehrung für bildende Künstlerinnen und Künstler, wurde von der Deutschen Akademie der Künste (DDR) unter dem Präsidenten und Kollwitz-Freund Otto Nagel als Preis von Künstlern für Künstler gestiftet. Ziel war und ist es bis heute, ein Einzelwerk oder ein Gesamtœuvre auszuzeichnen. Seit der ersten Preisverleihung richtete sich diese Auszeichnung sowohl an Künstlerinnen und Künstler, die sich in der kunstinteressierten Öffentlichkeit national und international einen Namen gemacht haben, als auch an jene, die fernab der Kunstszene und des Kunstmarkts in der Zurückgezogenheit arbeiten und wirken.

Käthe-Kollwitz-Medaille, gestaltet 1961 von Wilfried Fitzenreiter

Die Vergabe des Käthe-Kollwitz-Preises erfolgt jährlich und wird stets durch eine neu zu benennende Jury aus Mitgliedern der Sektion Bildende Kunst entschieden. Der Preis ist mit 12.000 € dotiert. Anlässlich der Ehrung richtet die Akademie der Künste der Preisträgerin oder dem Preisträger eine Ausstellung aus und publiziert einen kleinen Katalog. Seit 1992 und der Vereinigung der Akademien Ost und West wird der Käthe-Kollwitz-Preis von der Kreissparkasse Köln als Trägerin des Käthe Kollwitz Museum Köln mitfinanziert.

Der Käthe-Kollwitz-Preis – ein Preis von Künstlern für Künstler

Ein Beitrag von Anke Hervol1

Die Bedeutung und Wirkung des Käthe-Kollwitz-Preises als Auszeichnung für bildende Künstler und Künstlerinnen an der Akademie der Künste (Ost) war seit Anbeginn eng mit dem Selbstverständnis verknüpft, auf das sich die Akademie bei ihrer Neugründung am 24. März 1950 berief: die demokratische Tradition, die Werte und Ziele der Preußischen Akademie zwischen 1919 und 1933.2 Von der Idee, einen Akademie-Preis für bildende Künstlerinnen und Künstler zu vergeben, ist erstmals in den Sitzungsprotokollen der Sektion Bildende Kunst im Oktober 1956 zu lesen.3 Sehr wahrscheinlich erwirkte die Tatsache, dass der Kollwitz-Freund Otto Nagel ab 1956 Akademie-Präsident war, am 6. April 1957 die endgültige Entscheidung für die jährliche Vergabe eines Preises, dessen Namensgeberin Käthe Kollwitz wurde. Gemeinsam mit dem 1950 gestifteten Heinrich-Mann-Preis ist der Käthe-Kollwitz-Preis damit eine der ältesten Auszeichnungen der Akademie. Diese in den frühen Jahren der DDR ins Leben gerufene, nachhaltige Würdigung des politischen Engagements von Heinrich Mann und Käthe Kollwitz – beide Mitinitiatoren des Dringenden Appells um eine nationalsozialistische Mehrheit zu verhindern  hat sich auch durch die unruhige Zeit der Wende und Vereinigung der beiden Akademien in Ost- und West-Berlin bis heute erhalten.

Gründungsstatut und Namensgebung

Dass die in Kunstkreisen hochgeschätzte Kollwitz am 24. Januar 1919 als erste Künstlerin zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie seit 1833 gewählt wurde, läutete eine neue Phase in der Geschichte der Institution ein. Wie keine andere Künstlerin nach dem Zweiten Weltkrieg vertritt sie in Persönlichkeit und Werk die Überzeugung, die Ansprüche des Volkes und einer neuen Gesellschaft künstlerisch zu vertreten. Das Gründungsstatut des Käthe-Kollwitz-Preises von 1960 attestierte ihr klare „politische Bekenntnisse“, unbestrittene „künstlerische Meisterschaft“ und eine Verehrung als Kämpferin für die Arbeiterklasse „der ganzen Welt“. Ihr Einverständnis mit dem gesellschaftlichen Nutzen ihrer Kunst und ihr Streben nach einer Verständigung zwischen Künstlern und Volk fanden in der neugegründeten DDR fruchtbaren Boden. Nicht nur die Umbenennung von Straße und Platz in unmittelbarer Nachbarschaft ihres ehemaligen Wohnhauses im Jahr 1947, sondern vor allem der Auftrag an den Bildhauer Gustav Seitz, ein Kollwitz-Denkmal (1956/58) zu schaffen, zeugen von ihrem posthumen Ruhm im Ostberlin der Nachkriegszeit.

Ein Tagebucheintrag von 1922 bildete die Grundidee für den Akademie-Preis: „Jeder arbeitet wie er kann. Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und einleuchtend, andere gehen unklare Wege.“4 Neben der Ehrung der Preisträger war diese Auszeichnung immer auch eine „Verbeugung vor Persönlichkeit und Werk“ der Kollwitz. „Das Verständnis von Kunst als gesellschaftlichen Auftrag für den Sozialismus, die Einheit von Überzeugung und Meisterschaft als Qualität in der Kunst der DDR anzuerkennen und zu fördern, ist der tieferliegende und in die Zukunft weisende Sinn der Auszeichnung.“5

Der Preis als politisches Statement?

Die erste Preisverleihung fand am 26. März 1960 anlässlich des 10. Jahrestages der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin im Namen der „Förderung einer volksverbundenen realistischen bildenden Kunst“ und gemeinsam mit der Vergabe des Heinrich-Mann-Preises an Helmut Hauptmann und Annemarie Reinhard durch Otto Nagel und Herbert Ihering im Plenarsaal der Akademie am Robert-Koch-Platz statt. Die Sektion Bildende Kunst zeichnete mit Karl Erich Müller (1917–1998) einen Künstler aus, der eine „erkennbare parteiliche Stellungnahme für die Sache des sozialistischen Fortschritts und des Friedens“ zeigte.6

Da es sich beim Käthe-Kollwitz-Preis damals um ein politisches Statement und eine staatliche Auszeichnung der Akademie handelte, persönlich genehmigt vom Ministerpräsidenten, unterlag diese auch den gesetzlichen Bestimmungen der DDR. Im Jahr 1962 erfolgte die erste Anpassung der Statuten durch den Ministerrat, darin wurde die Bestätigung jeder Nominierung durch den Minister für Kultur vorgeschrieben – eine Vorgabe, die bis 1973 förmlich eingehalten wurde. Die Aktenlage verdeutlicht, dass mit der Genehmigung durch das Ministerium Eingriffe in die Vorschlagsliste verbunden waren. Eine kritische Auswertung der Vergabepolitik des Preises und der Auffassung der Sektion, sich als „künstlerisches Gewissen“ zu verstehen, „als Regulativ am staatlich gelenkten Kunstleben, ohne ihre Möglichkeiten aufs Spiel setzen zu wollen“, steht in der Forschung bis heute aus.7 Mitglieder der Akademie waren – wie heute – als Preisträger ausgeschlossen. Otto Nagel war die einzige Ausnahme, so erhielt er 1967 für seine Verdienste um Käthe Kollwitz' Werk den Preis.

In den 1960er Jahren wurden Zeitgenossen von Käthe Kollwitz wie Sella Hasse (1962), Herbert Tucholski (1964) und Otto Nagel (1967) ausgezeichnet. Neben dem Preisgeld (anfangs 6.000 DDR-Mark) und der Urkunde erhielten die Preisträger seit 1962 eine Medaille (Entwurf: Wilfried Fitzenreiter). Künstler wie Curt Querner (1971) erfuhren durch den Preis kurz vor ihrem Tod die lang verdiente Anerkennung, andere erhielten den Käthe-Kollwitz-Preis als eine von vielen Auszeichnungen, die in der DDR vergeben wurden. Die Tradition sah vor, dass der Vorjahrespreisträger die Laudatio für den aktuellen Preisträger hielt. So hat sich seit 1982 mit der Verleihung an den Maler Hans Vent wirklich ein „Preis von Künstlern für Künstler“ etabliert, wie Manfred Butzmann es 1991 formulierte.8 1985 fand eine umfangreiche Ausstellung mit 24 Preisträgern und Preisträgerinnen im Marstall der Akademie statt. Die Idee eines Preises „von Künstlern für Künstler“ findet seit 1993 ihren Ausdruck darin, dass die jährlich wechselnde und unabhängige Jury durch Mitglieder der Sektion Bildende Kunst gebildet wird.

Der Preis und die Vereinigung der Akademie der Künste Ost und West

1990 wählte die Akademie der Künste, Berlin (Ost), Heiner Müller zu ihrem Präsidenten. Er verfolgte die Idee einer Umwandlung der Akademie in eine europäische Künstlersozietät9, das Land Berlin hatte jedoch den Fortbestand nur einer Akademie festgeschrieben. Unter Protesten, Einschalten der Landes- und Bundesregierung, zahlreichen Austritten von Mitgliedern aus der Ost- und der West-Akademie und dem Engagement des Akademie-Präsidenten Walter Jens wurde schließlich im Staatsvertrag vom 24. September 1993 die Vereinigung zur Akademie der Künste, Berlin-Brandenburg, beschlossen. Der Käthe-Kollwitz- und der Heinrich-Mann-Preis blieben im Unterschied zu anderen Akademie-Preisen erhalten. In dieser bewegten Wendezeit erhielten Konrad Knebel (1990) und Manfred Butzmann (1991) die Auszeichnungen mit einer Ausstellung am Robert-Koch-Platz. 1991 startete die Wanderausstellung „Sabine Grzimek, Dieter Goltzsche, Joachim John. Käthe-Kollwitz-Preisträger“ im Käthe Kollwitz Museum Köln, die den Dialog zwischen Ost und West befördern wollte.10 Als dann Lothar Böhme 1992 mit dem Preis geehrt wurde, unterstützte „das kunstfreundliche Sponsoring [...] der Kreissparkasse Köln [...]“ den Fortbestand des Käthe-Kollwitz-Preises, so Ingeborg Ruthe in der Berliner Zeitung am 23. Juli 1992. Seit den 1990er Jahren hat sich die Auszeichnung zunehmend internationalisiert und zahlreiche Preisträger wurden nach Erhalt des Preises zu Mitgliedern gewählt und wirken aktiv am Programm der Akademie mit.11

 

(1) Der Textbeitrag „Der Käthe-Kollwitz-Preis – ein Preis von Künstlern für Künstler“ stammt von Anke Hervol und wurde erstmals veröffentlicht in: Kollwitz neu denken, Ausst. Kat. Käthe Kollwitz Museum, Köln, 29.9.–10.12.2017, Hg. von Akademie der Künste, Berlin, und Käthe Kollwitz Museum Köln. Berlin 2017, S. 22–24.

(2) Vgl. Harri Nündel, Mitarbeiter der Sektion Bildende Kunst 1968–1978 und 1981–1991, Käthe Kollwitz und der Käthe-Kollwitz-Preis, in: Kollwitz-Preisträger. Akademie der Künste der DDR. Ausst. Kat. Berlin 1985, S. 4–5.

(3) Vgl. ebd., S. 17, Anm. 1.

(4) Tagebucheintrag, November 1922, in: Käthe Kollwitz, Die Tagebücher 1908–1943. München 2012, S. 404.

(5) Harri Nündel, vgl. Anm. 2, S. 5.

(6) Akademie der Künste, Berlin, Historisches Archiv AdK-O 0583.

(7) Harri Nündel, in: Käthe- Kollwitz-Preisträger. Sabine Grzimek. Dieter Goltzsche. Joachim John. Ausst. Kat., Akademie der Künste zu Berlin und Käthe Kollwitz Museum Köln. Berlin / Köln 1991, S. 19.

(8) Manfred Butzmann anlässlich der Preisverleihung 1991, in: ebd., S. 21.

(9) Siehe Angela Lammert, Bautzen oder Babylon. Die Idee von einer Europäischen Sozietät, in: Ingrid Mössinger, Anke Hervol (Hg.), Die Akademie der Künste, Berlin, zu Gast in den Kunstsammlungen Chemnitz. Ausst. Kat., Kunstsammlungen Chemnitz. Dresden 2016, S. 34 ff.

(10) Diese Ausstellung tourte bis 1992 weiter nach Wesel, Meerbusch und Kamp-Lintfort.

(11) Theo Balden, Lothar Böhme, Wieland Förster, Dieter Goltzsche, Ulrike Grossarth, Sella Hasse, Mona Hatoum, Joachim John, Gerhard Kettner, Mark Lammert, Harald Metzkes, Arno Mohr, Karl Erich Müller, Adrian Piper, Eran Schaerf, Herbert Sandberg, Willi Sitte, Werner Stötzer, Werner Tübke, Micha Ullman, Hans Vent, Corinne Wasmuht.