Tägliches Filmprogramm

mit künstlerischen Dokumentar- und Essayfilmen sowie experimentellen Arbeiten aus den Jahren 1961–2019

Di – So 12 – 19 Uhr
Pariser Platz, Black Box

Eintritt frei

12 Uhr
Brutalität in Stein

Regie: Alexander Kluge, Peter Schamoni, BRD 1961, OmeU, 11 min

Der aufs Monumentale zielenden architektonischen Inszenierung des Nürnberger Parteitagsgeländes begegnen die beiden Regisseure Alexander Kluge und Peter Schamoni mit einer radikal fragmentierenden und dynamischen Kamera, die die Ideologie hinter der Fassade offenlegt. Zitate von Tätern wie dem Auschwitzkommandanten übertrumpfen die steinerne Brutalität sogar noch in ihrem Zynismus. Was bleibt? Ein Trümmerhaufen. Und viele offene Fragen.

12.12 Uhr
Die Judengasse

Regie: Peter Nestler, Kamera: Rainer Komers, BRD 1988, DF, 44 min

Ausgehend von der ersten überlieferten Kartierung der Judengasse aus dem Jahr 1628 begibt sich der Dokumentarfilmregisseur Peter Nestler auf die Spurensuche nach der tausend Jahre alten jüdischen Kultur in Frankfurt am Main und spürt verblassende Zeichen, Zeichnungen und Zeitzeugen auf, die von der einstigen Lebendigkeit jüdischen Lebens berichten. Auslöser des Films war der sogenannte Börneplatz-Konflikt 1987. Die Proteste reichten weit über Frankfurt hinaus.

Mit freundlicher Genehmigung des SWR

12.57 Uhr
Reichsautobahn

Regie: Hartmut Bitomsky, BRD 1986, OmeU, 91 min

Der Bau der Autobahn gehört zu den prominentesten Prestigeprojekten im „Dritten Reich“, das wort- und bildgewaltig in Szene gesetzt wurde. Dabei ging es nur vordergründig um die Schaffung von Arbeitsplätzen und ein Gemeinschaftswerk. Vielmehr sollte eine Infrastruktur für die vorhandenen Expansionspläne geschaffen werden. Aus einer Fülle von Archivmaterial montiert Hartmut Bitomsky einen dichten Essay, in dem er Bildstrategien hinterfragt und sich als Autor Raum für Reflexionen nimmt.

14.30 Uhr
Flat Roofs for Mussolini

Regie: Bettina Nürnberg, Dirk Peuker, D/I 2012, OmeU, 20 min

Von 1926 bis 1939 etablierte sich der Architekt Giuseppe Terragni als einer der führenden Wegbereiter des italienischen Rationalismus. Orientiert an der klassischen Architektur beeindrucken seine Gebäude bis heute durch ihre Verbindung von Funktionalität und Ästhetik. Terragni bekannte sich offen zum Faschismus und diente seine Entwürfe Mussolini als „nationalen Stil“ an.

14.50 Uhr
Im Leben geht alles vorüber

Regie/Drehbuch/Kamera/Schnitt: Thomas Kutschker, D 2013, ohne Sprache, 14 min

Thomas Kutschker geht in seiner Arbeit der Frage nach, wie sich ein Ort wie das Konzentrationslager Buchenwald filmisch rekonstruieren lässt. Was vermögen die architektonischen Überreste der Baracken und Hinrichtungsstätten zu erzählen über Strukturen und Routinen, die der Tötungsmaschinerie dienten? Die Abstraktion auf der Bildebene findet ihre Fortsetzung in der Bearbeitung des titelgebenden Schlagers (1940) von Marika Rökk.

15.05 Uhr
Sabaudia

Regie: Lotte Schreiber, Kamera: Johannes Hammel, A 2018, OmeU, 24 min

1930 ließ Mussolini die Sumpflandschaften in der Pontinischen Ebene südlich von Rom trockenlegen. Vergleichbar mit dem Autobahnbau in Deutschland wurde das Projekt für Propagandazwecke medial aufwändig begleitet. Im Zuge dieser Urbarmachung entstanden fünf neue Städte, so auch die Modellstadt Sabaudia. Heute wird für den Tourismus dezidiert mit dem „metaphysischen Nimbus“ der architektonischen Vision geworben. Zitiert werden unter anderem Schriften von Pasolini, der Sabaudia zu seinem Sommersitz wählte.

Leihgeber: sixpackfilm

15.30 Uhr
Von der Reichskanzlei bis Paraguay

Regie: Riki Kalbe, Barbara Kasper, D 1992, OmeU, 7 min

Josef Thorak gehörte zu den populärsten Künstlern des „Dritten Reiches“. In der Gunst Hitlers stand er ganz oben. Seine Monumentalplastiken zierten die „Reichskanzlei“ und das „Reichssportfeld“. Der Film verfolgt die Spur einer in Bronze gegossenen Pferdeskulptur, der es „(zum Glück) nicht gelungen ist, sich monumental festzusetzen“. Thorak erhielt öffentliche Aufträge bis zu seinem Tod 1952.

15.40 Uhr
Wie aus der Ferne

Regie/Drehbuch: Dani Gal, Kamera: Emre Erkmen, mit Pavel Fieber, Charles Brauer, D/A 2013, OmeU, 26 min

Der Film basiert auf dem Briefwechsel zwischen Simon Wiesenthal und Albert Speer in den 1970er-Jahren. Mit den Schauspielern Charles Brauer und Pavel Fieber rekonstruiert Dani Gal diese ungewöhnliche Begegnung: Auf der einen Seite der jüdisch-österreichische Architekt und Publizist, der das Lager Mauthausen überlebte und es sich zur Aufgabe machte, aufzuklären und Täter zu benennen. Der andere, Albert Speer, maßgeblicher Architekt des „Dritten Reiches“, der zum „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ und Rüstungsminister aufstieg. Diesem Dialog stellt Dani Gal einen Text des Philosophen Ludwig Wittgenstein gegenüber.

16.06 Uhr
Luft-Räume

Regie/Drehbuch: Fridolin Schönwiese, Kamera: Johannes Hammel, A 1990, ohne Sprache, 24 min

Die Ruine des ehemaligen Flakturms steht wie ein Massiv im Wiener Arenapark. Mit analytischem Interesse tastet die Kamera des Filmemachers Fridolin Schönwiese die Texturen des Betonblocks ab und sucht die architektonische Struktur zu definieren. Dabei nutzt er unterschiedliche technische Verfahren wie eine wärmeempfindliche Kamera, um in das Innere (das Wesentliche) vorzudringen.

Leihgeber: sixpackfilm

16.30 Uhr
Fields of Neutrality. The Last Interview with
Ludwig Mies van der Rohe

Regie: Dani Gal, Kamera: Itay Marom, mit Megan Gay und Walter Gontermann, D 2019, OmU, 32 min

1967 lädt die BBC-Journalistin Grace Wyndham Goldie den Architekten und letzten Bauhaus-Direktor (1932/33) Mies van der Rohe in ihre Sendung „Fields of Neutrality“ ein. Es ist sein letztes Interview in Berlin. Im Verlauf des Gesprächs werden die Ambivalenzen in van der Rohes Wirken während der NS-Zeit deutlich. Kann ein so berühmter und in der Öffentlichkeit stehender Architekt sich überhaupt dem Mahlstrom des Zeitgeschehens entziehen? Dani Gal rekonstruiert dieses spannende Gespräch.

17.05 Uhr
Bilder der Welt und Inschrift des Krieges

Regie/Drehbuch: Harun Farocki, Kamera: Ingo Kratisch, BRD 1988, OmeU, 75 min

Ausgangspunkt für Farockis Bildanalyse sind Aufnahmen von amerikanischen Piloten, die 1944 entstanden sind. Sie zeigen die Industrie-Anlagen der I.G. Farben, übersehen jedoch absichtsvoll das nahegelegene Konzentrationslager Auschwitz. Farocki umkreist mithilfe dieses Exempels einen Nullpunkt, von dem aus er vielschichtig und weiträumig referenzielle Verbindungslinien zu Bildern der Welt vor und nach Auschwitz zieht.

18.20 Uhr
Es muß ein Stück vom Hitler sein

Regie/Drehbuch: Walter Krüttner, Kamera: Fritz Schwennicke, BRD 1963, OmeU, 12 min

Walter Krüttner montiert eine spitze Satire auf den Massentourismus um Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg. In den 1960er-Jahren wurde in der westdeutschen Gesellschaft dem Führerkult noch offen gehuldigt. Dem launigen Treiben stellt der Regisseur historische Zeugnisse gegenüber und legt damit ein Stück Verdrängung und unbewältigte Vergangenheit bloß. Am Ende resümiert er: „Sie suchen nicht den Ausblick, sondern den Rückblick.“