27.1.2021, 10 Uhr
Joana-Maria-Gorvin-Preis an Andrea Breth
Die Regisseurin Andrea Breth erhält den Joana-Maria-Gorvin-Preis 2020. Alle fünf Jahre durch die Akademie der Künste im Auftrag der Joana-Maria-Gorvin-Stiftung verliehen, würdigt der Preis die „überragende Leistung einer Theaterkünstlerin im deutschsprachigen Raum“. Die Jury, so hat es der Stifter Maximilian B. Bauer, Ehemann Joana Maria Gorvins, verfügt, bilden jeweils fünf männliche Mitglieder der Sektion Darstellende Kunst. Der Jury 2020 gehörten Jürgen Flimm, Christian Grashof, Volker Ludwig, Klaus Völker und Jossi Wieler an.
Nach den bisherigen Preisträgerinnen Pina Bausch (1995), Anny Schlemm (2000), Anja Silja (2005), Jutta Lampe (2010) und Kirsten Dene (2015) wird erstmals eine Theaterregisseurin ausgezeichnet. In der Begründung heißt es:
„Andrea Breth, die auf eine zielstrebige, aber nie opportunistisch-ehrgeizige Karriere zurückblicken kann, ist eine Theaterfrau, der es überzeugend gelingt, Theater zu vergegenwärtigen. Sie holt mit ihren Inszenierungen Vergangenheit in die Gegenwart und sie verankert das Gegenwärtige im Vergangenen, um auch Zukünftiges ins Auge zu fassen und Theater als einen Ort des Träumens zu behaupten. Sie gibt als Regisseurin ihren Schauspielern alles; die Spieler sind keine Erfüllungsgehilfen eines Regiestils, wenn sie restlos gut gearbeitet hat, sind die Spuren ihres präzisen und doch immer rückhaltlos zu Gefühlen sich bekennenden Arbeitens verwischt.“
Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert. Eine öffentliche Ehrung wird voraussichtlich Anfang September in der Akademie der Künste am Hanseatenweg stattfinden.
Andrea Breth, geboren 1952 in Rieden, wuchs in Darmstadt auf. Neben dem Literaturstudium in Heidelberg war sie 1972 bis 1973 Regieassistentin am dortigen Theater, wechselte mit dem Intendanten Peter Stoltzenberg nach Bremen, wo sie 1975 erstmals inszenierte, Die verzauberten Brüder von Jewgeni Schwarz. Es folgten Regiearbeiten in Wiesbaden, Bochum, Hamburg, 1980 an der Freien Volksbühne Berlin, ab 1983 bis 1985 ein Engagement am Theater Freiburg – und mit Lorcas Bernarda Albas Haus 1985 die erste Einladung zum Theatertreffen und Wahl zur Regisseurin des Jahres in der Kritikerumfrage von Theater heute. 1986 bis 1989 inszenierte sie am Schauspielhaus Bochum, 1990 bis 1992 am Burgtheater Wien, 1987 wurde sie mit Süden von Julien Green, 1990 mit Gorkis Die Letzten (beide Bochum), 1992 mit O’Caseys Das Ende vom Anfang (Wien) erneut zum Theatertreffen eingeladen. Von 1992 bis 1997 war Andrea Breth künstlerische Leiterin der Schaubühne, von 1999 bis 2006 Hausregisseurin und anschließend regelmäßig Gast des Burgtheaters Wien, seit 2002 auch bei den Salzburger Festspielen. Bis 2005 wurden weitere fünf ihrer Regiearbeiten für das Theatertreffen ausgewählt, nach Letzten Sommer in Tschulimsk von Alexander Wampilow (Berlin 1993) einige der ihr Œuvre prägenden Klassikerinszenierungen: Hedda Gabler (Berlin, 1994), Onkel Wanja (Berlin, 1999), Emilia Galotti (Wien, 2003), Don Carlos (Wien, 2005). 2000 debütierte sie mit Glucks Orfeo ed Euridice in Leipzig als Opernregisseurin. Andrea Breth inszeniert heute u. a. in Wien, München, Frankfurt, Salzburg, Aix-en-Provençe, auf der Ruhrtriennale, in Stuttgart, Brüssel und Berlin, dort zuletzt am Berliner Ensemble Drei Mal Leben von Yasmina Reza und an der Staatsoper u. a. Wozzeck und Lulu von Alban Berg.
Zu ihren bisherigen Auszeichnungen gehören der Fritz-Kortner Preis 1987, vier Nestroys, zuletzt 2019 für ihr Lebenswerk, der Theaterpreis Berlin 2006, der Schillerpreis 2015 und der FAUST Theaterpreis (Beste Regie Musiktheater) 2015. Sie erhielt das Österreichische Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse sowie das Große Verdienstkreuz und das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland.
Andrea Breth gehört seit 2018 dem Orden Pour le mérite an und ist seit 1992 Mitglied der Akademie der Künste.
Joana Maria Gorvin, 1922 im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) geboren, besuchte ab 1938 die Schauspielschule des Berliner Staatstheaters unter Gustaf Gründgens und wurde nach einem ersten Engagement in Potsdam 1943 auch ins Staatstheaterensemble aufgenommen. Dort lernte sie den Regisseur Jürgen Fehling kennen, mit dem sie bis zu seinem Tod 1968 eine intensive Künstler- und Lebensgemeinschaft verband. Nach 1945 spielte sie in Berlin erst im Hebbel-Theater, dann im Schiller- und Schloßparktheater unter der Regie von Fehling, O.E. Hasse, Fritz Kortner oder Karl-Heinz Stroux in den wichtigsten Stücken der westlichen Nachkriegsdramatik. In den 1950er Jahren spielte sie häufig in Wien (und nahm 1955 auch die österreichische Staatsbürgerschaft an), in den 1960ern bei Gustaf Gründgens in Hamburg. Ihre letzte große Rolle spielte sie im Schlußchor von Botho Strauß 1992 an der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin. Seit 1971 war Joana Maria Gorvin mit Maximilian B. Bauer verheiratet. Von 1979 bis zu ihrem Tod am 2. September 1993 im österreichischen Klosterneuburg war sie Mitglied der Akademie der Künste.